Olaf Böhme in Gedenken an den Dresdner Kabarettisten und Schauspieler Olaf Böhme (1953 – 2019)
in Gedenken an den Dresdner Kabarettisten und Schauspieler Olaf Böhme (1953 – 2019)

Leben

Olaf Böhme
Olaf Böhme / Foto: Privatarchiv

Olaf Böhme wurde 1953 geboren und ist im März 2019 nach langer Krankheit gestorben. Er war Mathematiker, Kabarettist, Schauspieler, Theaterleiter und Mensch. Sein Leben und Wirken soll hier so gut es geht nachzulesen sein.

Kinderbitte

Macht die Welt mir nicht klein!
Ich bin ja so groß,
und hab so viel Kraft.
Kann ein Riese grad sein!
Macht die Welt mir nicht klein.

Olaf Böhme – Die Tage die Nächte die Jahre – Gedichte 1980-2003

Mathematik und Olympiaden

Geboren wurde Olaf Böhme am 23. September 1953 in Dresden. Im Alter von sieben Jahren wird er 1960 eingeschult, musste aber 1961 krankheitsbedingt ein halbes Jahr aussetzen und den Schulstoff daheim erarbeiten.

Von 1962 bis 1968 besucht er die 66. Oberschule in Dresden-Leuben und von 1968 bis 1972 die Erweiterte Oberschule Dresden-Reick, welche 1971 den Namen „Bertold Brecht“ erhielt. Diesen Namen trägt die Schule auch heute noch und wird umgangssprachlich „BeBe“ genannt. 1995 gründete Olaf Böhme ein kleines Privattheater, welches er ebenfalls „bebe“ nannte, was kurz für „Böhmes Bühne“ stand.

Schon früh zeigte sich Olafs Interesse an der Mathematik. Während seiner Jahre an der Oberschule nahm er regelmäßig an Mathematik-Olympiaden teil. Bei der 12. Internationalen Mathematik-Olympiade in Keszthely (Ungarn) errang er 1970 eine Bronzemedaille, bei der 13. Olympiade 1971 in Žilina (Tschechoslowakei) Silber und 1972 in Toruń (Polen) ebenfalls Silber.

Studium? Wahrscheinlich!

Von 1972 bis 1976 studierte er Mathematik an der Technischen Universität Dresden. Anschließend setzte er das Studium mittels einer Aspirantur bis 1978 in Kiew fort.

Nach einer Auszeit im heimischen Dresden promovierte Olaf Böhme 1983 auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Auch nach seinem Studium blieb er der Sektion Mathematik verbunden, indem er montags oft mit Fußball spielte und dienstags am Volleyball teilnahm.

Mit Falstaff aufs Spielbrett

Bereits seit 1980 beschäftigte er sich neben der Mathematik mit Lyrik und Kurzprosa. 1985 knüpfte er erstmals Kontakte zur freien Theater- und Filmszene. Er gehörte der 1986 gegründeten Theatergruppe „Spielbrett“ an, bei welcher er in verschiedenen Inszenierungen mitwirkte. So spielte er u.a. die Titelrolle in Shakespeares „Falstaff in Windsor“, sowie 1988 in „Elisabeth“ von Dario Fo.

Theater für 50

Seit 1986 veranstaltete er auch erste Soloabende und war Mitglied im, vom Dresdner Pantomimen Rainer König gegründeten, „theater 50“ in Dresden-Löbtau. Der Name des Theaters begründete sich in der vorhandenen Platzanzahl – es konnten maximal 50 Zuschauer Platz finden. Später wurde er zum Leiter der Bühne, der er bis 1996 vorstand.
Mit einigen Mitgliedern des freien „theater 50“-Ensembles (u.a. Rainer König, Alf Mahlo, Peter Flache) entwickelte Olaf Böhme 1991 das Barock-Theater-Spektakel „August der Schwache“ – ein absurd-komischer Abend, welcher die fiktive Geschichte des sächsischen Kurfürsten August des Starken auf den Kopf stellte und über zehn Jahre zu einem Dauerbrenner an verschiedenen Spielstätten wurde.

Eine eigene Bühne

Ab 1988 drehte er Kurzfilme mit dem Dresdner Kameramann Stefan Martin, mit welchem ihn eine lange Zusammenarbeit verband.

Im Jahr 1992 erhielt Olaf Böhme die „St. Ingberter Pfanne“ – den Kleinkunstpreis der saarländischen Stadt St. Ingbert.
1996 trat er in die Freiberuflichkeit ein und betrieb von 1995 bis 2001 seine eigene Privatbühne „bebe“ im Stadtteil Dresden-Löbtau.

Der betrunkene Sachse

Als Kabarettist wurde Olaf Böhme vor allem durch seine Figur des „betrunkenen Sachsen“ bekannt und widmete „seinem Sachsen“ mehrere Solo- und Duoprogramme. Seine Bühnenpartnerin war hier stets Kiesel Köhler.
„Der betrunkene Sachse“ entwickelte sich zu Böhmes Markenzeichen. Der sets schwankende Denker mit offener Krawatte. Mit seiner Nummer „Die Steuererklärung“ führte er mit gesundem Menschenverstand die Bürokratie ad absurdum und trieb dem Publikum mit seinen Erzählungen von Kumpel Paul und der „Muddi“ die Lachtränen in die Augen.

Gemeinsam mit dem Schauspieler Tom Pauls kürte Böhme seit 2008 immer wieder einmal das „Sächsische Wort des Jahres“, trat in Fernsehen und Radio auf und schrieb Kolumnen.

Lachende Integrale

Daneben schuf Olaf Böhme aber auch immer wieder andere, ernstere Programme und Bühnenstücke, in denen er sich mit seinem Sein in der Welt auseinandersetzte.

2001 zieht Olaf Böhme nach Kleinschönberg bei Dresden und findet in einem Haus mit naturbelassenem Garten einen behaglichen Rückzugsort.

Mehrere Jahre hielt Olaf Böhme für Studenten mathematisch-kabarettistische Vorlesungen in Hörsälen der Technischen Universität. Darunter Programme wie „Wenn Integrale lachen lernen“ oder „Die Rechnung ohne den Wirt“.

Im Jahr 2008 drehte er den Film „Treffpunkt Kronentor – ein Stadtrundgang mit dem betrunkenen Sachsen“. In Zusammenarbeit mit Stefan Martin und Clemens Hübner entstand 2009 der experimentelle Film „FRAUEN“, zu dem Böhme 2011 eine neue Schnittfassung mit dem Titel „Ich schaue Dich an“ erstellte.

Pichmann’s Gedichte

Bekannt wurden auch „Herrn Pichmann’s Gedichte“ aus Böhmes Feder, die er ursprünglich im Rahmen der Veranstaltungsreihe „FKK-Party“ für seinen Kollegen Stephan Uhlig geschrieben hatte.
Die „Feldschlösschen-Klein-Kunst-Party“ war von 1993 bis 2004 eine von Olaf Böhme veranstaltete Talentebühne, bei welcher er als Moderator auftrat und Stephan Uhlig als Chefjuror Herr Pichmann fungierte. An jedem Abend gab Herr Pichmann einige seiner Gedichte zum Besten. Über die Jahre entstanden hunderte dieser kleinen Nonsenswerke, welche Olaf Böhme ab 2000 auch in drei Büchern veröffentlichte.

Zum Schluss, …weeßte?

Anfang 2008 wurde bei Olaf Böhme chronische lymphatische Leukämie diagnostiziert, die im Herbst 2011 zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führte. Daraufhin zog er sich zunächst vom Bühnengeschehen zurück und sagte eine für 2011 geplante Griechenland-Literatur-Reise ab.

Zur Behandlung der Krankheit erhielt Olaf Böhme Anfang Mai 2012 eine Stammzelltransplantation.
Gegen Ende des Jahres 2013 war er gelegentlich wieder mit Lesungen und Aufführungen seiner Filme zu sehen.
Im Frühjahr 2015 brachte er am Boulevardtheater Dresden seinen Abend „… weeßte?!“ zur Premiere, in welchem er Einblicke und Rückblicke zur Figur des „betrunkenen Sachsen“ gab und zugleich etwas von seiner gegenwärtigen Weltsicht offenbarte.
Im September 2016 spielte Olaf Böhme im Boulevardtheater Dresden seine letzte Veranstaltung und trat fortan nicht mehr auf.

Am 18. März 2019 verstarb Olaf Böhme im Alter von 65 Jahren an den Folgen der Leukämie.

Sein gesamtes Erbe, inklusive dem Grundstück und dem darauf befindlichen Wohnhaus, nebst einem von ihm konzipierten blauen Künstlerhaus, in dem er malte und schrieb, vermachte er dem Sonnenstrahl e.V. und der Michael Succow Stiftung. Seine Kunstsammlung mit 100 Werken wurde im Dezember 2019 in einer Benefizauktion zugunsten dieser zwei Organisationen über ein Dresdner Auktionshaus versteigert.

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